Das Wattenmeer, unendliche Weiten...

...das Wattenmeer der Nordsee ist eine im Wirkungsbereich der Gezeiten liegende, etwa 9000 km² große, 450 km lange und bis zu 40 km breite Landschaft zwischen Skallingen, Dänemark, im Nordosten und Den Helder, Niederlande, im Südwesten. Den bei Niedrigwasser freiliegenden Grund der Nordsee bezeichnet man als Watt. Es ist das größte Wattenmeer der Welt.
 
Das Watt wird zweimal am Tag während des Hochwassers überflutet und fällt bei Niedrigwasser wieder trocken, wobei das Wasser oft durch tiefe Ströme (Priele) abfließt. Der zeitliche Abstand zwischen einem Hochwasser und einem Niedrigwasser beträgt durchschnittlich sechs Stunden und zwölf Minuten. Das vor etwa 7500 Jahren entstandene Wattenmeer hat eine der höchsten Primärproduktionsraten in der Welt. Es dient daher vielen Vögeln und Fischen als Rastplatz und Nahrungsquelle.
 
Fast das gesamte Wattenmeer steht unter Naturschutz. Der deutsche Teil ist – außer den großen, als Schifffahrtsrouten wichtigen Flussmündungen sowie die Wattgebiete des Landes Bremen – als Nationalpark geschützt. Der dänische Teil folgte 2009, der niederländische unterliegt einem komplexen Geflecht aus verschiedenen Schutzmaßnahmen. Der schleswig-holsteinische, niedersächsische und niederländische Wattenmeerbereich gehört seit 2009 zum UNESCO-Weltnaturerbe, 2011 wurde auch das Hamburgische Wattenmeer, 2014 auch der dänische Nationalpark Vadehavet in die Liste aufgenommen.
 
Im nordfriesischen Teil des Wattenmeeres bildeten sich Geestwälle. Zahlreiche Gletscher-Ablagerungen aus dem Gebiet westlich von Nordfriesland wurden an die Küste gespült, wo sie Nehrungen bildeten, die die Geestkerne zu einer festen Küstenlinie verbanden. Sie schützten die dahinter liegenden tieferen Gebiete. Dort bildeten sich Feuchtgebiete, Moore und Sümpfe, in denen sich Torf bildete, ebenso wie die Sedimente, die aus den höheren landseitigen Geestgebieten kamen.
 
Durch Wassereinbrüche, insbesondere bei Sturmfluten, gerieten die tiefergelegenen flachen Moore zumindest zeitweise unter Wasser und bilden heute das ausgedehnte nördliche Wattgebiet. Reste des ehemaligen Geestwalls bilden die Nordfriesischen Inseln. Ansätze zu Barriereinseln finden sich auch hier, wie etwa der Jordsand, allerdings verhinderten wohl die vorgelagerten Geestkerninseln deren Ausbildung.
 
Seitdem der Mensch vor etwa 1000 Jahren begann, die Küste durch umfangreiche Besiedlungsmaßnahmen zu verändern, und insbesondere seitdem er vom Warft- zum Deichbau überging, veränderte er die Landschaft dramatisch. An die Stelle des amphibisch geprägten Übergangs zwischen dauerhaft unter Wasser stehenden Gebieten über permanent und teilweise den Gezeiten unterliegenden Regionen zu Flussniederungen und Marschen entstand ein klarer Übergang vom Land (hinter dem Deich) zum Wattenmeer (davor). Viele Flächen des Übergangs gingen dadurch verloren. Durch Fischerei und Jagd rottete der Mensch alle größeren Raubtiere des Watts aus, ebenso wie viele Arten, die aktiv am Entstehen des Habitats beteiligt waren. Andere Arten, die sich teilweise mit großem Erfolg im Watt etablieren konnten, führte er ein.
 
Mit Hilfe von Lahnungen betrieb er Landgewinnung, um den Anstieg des Landes zu beschleunigen. Dabei deichte er seit dem Mittelalter etwa ein Drittel der Fläche des Wattenmeers ein und gestaltete diese in Festland um. Indem er auch durch die Deiche Überflutungen ganz verhinderte und Wasser nur noch vom Land in die See floss, entsalzte er die Salzmarschen, sodass nach der Entsalzung Köge und Polder mit fruchtbarem Marschland entstanden. Sicherte er die Deiche nicht genug, kam es aber immer wieder bei Sturmfluten zu dramatischen Deichbrüchen; bei einzelnen Katastrophenfluten wie der Burchardiflut 1634 konnten ganze Inseln verloren gehen, die Marsch wurde wieder Teil des Wattenmeers.
 
Während der letzten Eiszeit war die gesamte südliche Nordsee Festland (Doggerland). Spuren menschlicher Besiedlung ebenso wie landlebende Wildtiere lassen sich nachweisen. Entsprechende Überreste werden gelegentlich von Trawlern gefunden. Prinzipiell sind diese Überreste aber durch die weitere geologische Aktivität unter dem Meeresspiegel und viele Meter Sediment verschwunden, sodass sich über diese Periode kaum verlässliche Aussagen machen lassen. Als Jäger und Sammler lebten die Menschen also bereits mehrere tausend Jahre in der Gegend, bevor das Wattenmeer sich bildete.
 
Erst aus der Jungsteinzeit liegen zuverlässig erreichbare Fundstellen im Watt zwischen Eiderstedt und Föhr sowie bei Fanø vor, die die Existenz von Menschen aus dem 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. nachweisen. Dann tauchen erst wieder aus den Jahren 200 bis 500 einzelne Artefakte auf, die sich zwischen Japsand und Pellworm im nordfriesischen Wattenmeer finden lassen und eine Wiederbesiedlung nachweisen. Zwischen dem 4. und dem 7./8. Jahrhundert wiederum fehlen an der gesamten Küste Spuren menschlichen Lebens, sodass vermutlich gestiegene Wasserstände und Sturmfluten die Menschen wieder weiter ins Binnenland vertrieben haben.
 
Da die Landwege zu dieser Zeit in den von Sümpfen durchsetzten Küstenregionen oft nicht benutzbar waren, vollzog sich die Besiedlung meist über die See. So waren die nordfriesischen Uthlande mehrere Jahrhunderte vor den Festlandsgebieten besiedelt. Die Siedler kamen jeweils überwiegend aus dem Gebiet der heutigen Niederlande und zogen über die Nordsee. Auch die Wikinger, hier besonders die Dänen, nutzten die Gezeitenströme schon früh als Seehandelswege und etablierten sich auf den Nordfriesischen Inseln.
 
Bis zum Mittelalter lebten die Menschen vor allem auf natürlichen Erhöhungen am Watt, oftmals Geestkerne in der Marsch oder Nehrungen. Dementsprechend niedrig war die Bevölkerungszahl. Erst mit der Entwicklung größerer Küstenschutzprojekte begannen Menschen, in größeren Mengen sesshaft zu werden. Sie bauten künstliche Erhöhungen, die Warften. Daraus entwickelten sich Ringdeiche, die durch Sommerdeiche erweitert wurden, schließlich kamen Winterdeiche. An der gesamten Küste begannen die Menschen sich dauerhaft zu etablieren und sich vor dem Meer zu schützen. Generell ging die Entwicklung dabei vom südwestlichen Teil der Küste aus und wanderte nach Osten und Norden. Einzig Dänemark bildet hier eine gewisse Ausnahme; im Vergleich zu weiter südlich gelegenen Gegenden sind hier die Marschstreifen so schmal, dass oftmals mit dem Eindeichen erst im 19. und 20. Jahrhundert begonnen wurde und es immer noch Gebiete ganz ohne Deich gibt.
 
Mit diesen Deichen allerdings stieg auch die Zahl der Siedler und der Wert ihrer Besitztümer. Erst durch den Deichbau konnte es zu den Katastrophenfluten wie der Groten Mandränke von 1362 kommen, bei der Tausende von Menschen im Meer ertranken. Große Buchten wie der Jadebusen und der Dollart bildeten sich im Mittelalter, als hunderte Quadratkilometer Land versanken.
Einzelne Inseln wie Bosch, Heffesand oder Corensant sind ganz im Meer versunken, von anderen wie der großen nordfriesischen Insel Strand blieben nur kleine Überreste übrig, während prosperierende Siedlungen wie Rungholt ebenfalls im Watt versanken. Dabei waren wahrscheinlich nicht nur natürliche Faktoren wie Stürme oder ein starker Anstieg des Meeresspiegels verantwortlich, sondern beispielsweise auch der Schwarze Tod, der die Bevölkerung nachhaltig schwächte und die aufwändige Deicherhaltung vermutlich stark einschränkte.
 
Insbesondere dort, wo im Mittelalter und der Frühen Neuzeit große Landstriche Katastrophenfluten zum Opfer fielen und im Meer versanken, bietet sich mittlerweile ein reichhaltiges archäologisches Betätigungsfeld im Meer. Kulturspuren tauchen bei günstigen Wind- und Strömungsverhältnissen vor den Küsten und Halligen auf und erlauben die Rekonstruktion des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lebens an der Küste. Deutlich sichtbare Spuren finden sich auf dem Gebiet der ehemaligen Insel Strand im nordfriesischen Wattenmeer, im Jadebusen, dem Dollart, aber auch bei Neuharlingersiel und im ehemaligen Land Wursten.